Vorgehen bei der Reifenwahl

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peha
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Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von peha » Montag 14. Juli 2025, 15:05

Es gibt ja schon Threads zum Thema Reifen für die 900er: Haltbarkeit, vorhandene Auswahl und Einsortierung. Um die nicht zu verwässern, mache ich hier einen neuen auf mir einer grundsätzlicheren Frage.

Ich habe selbst noch nie Motorradreifen ausgesucht; beim Roller ging ich eher nach Preis und Verkäufer-Empfehlung, beim Auto habe ich zuletzt bei reifen.com auf Grundlage der Kategorisierungen einen gewählt, der mutmaßlich auch bei Nässe einen sehr guten Grip hat und preislich noch okay genug war.

Ein Freund, der bei einem großen deutschen Autohersteller für die Abstimmung des ESP einer bestimmten Modellgruppe verantwortlich ist und deshalb routiniert und andauernd Autos in Extremsituationen bringt, sagte mir, auf Autos bezogen: "Wenn du die freie Wahl hast und Geld egal ist, nimmst du immer Michelin, weil deren Kautschuk-Mischungen unerreicht sind. Wenn Geld nicht egal ist, musst du halt entscheiden, wo du Abstriche machst." Ich vertraue seinem Urteil absolut. Als ich ihn nach Motorradreifen gefragt habe, hat er mit den Schultern gezuckt und gesagt: "Du, damit kenne ich mich nicht aus, das wäre Hörensagen, deshalb will ich nichts empfehlen." (Für mein Auto habe ich mich übrigens aus Preisgründen gegen Michelin entschieden, da ich mit meinem geringmotorisierten Kleinwagen keine Rennen fahre und auch niemals bei 180 auf dem Salzsee das Lenkrad herumreißen werde, um das ESP zu testen :lol:).

Tja - und deshalb frage ich mich schon eine Weile lang: Wie kann man zu einer informierten, guten Entscheidung kommen betreffs Reifen, die zu den eigenen Anforderungen und Erwartungen passen? Probefahren kann man sie üblicherweise natürlich ja nicht (und ich bin auch gar nicht sicher, ob ich das in der Kürze "spüren" würde, worum es geht), und Berichte/Einschätzungen Dritter sind naturgemäß stets subjektiv und evtl. sogar mit einer hidden agenda oder unbewusstem bias versehen. Wenn man also wie ich nicht auf einen Fundus an eigener Erfahrung bauen kann, wie geht man die Reifenauswahl dann sinnvoll an?

Konkret bin ich persönlich mit den Serienreifen eigentlich ziemlich zufrieden, da ich z.b. auf der Straße nie (auch bei sehr starken Regen nicht) gerutscht bin - und Grip auf Asphalt, trocken wie nass, ist für mich extrem wichtig, da ich fast ausschließlich auf Straßen unterwegs bin. Auch die Haltbarkeit scheint gut zu sein (nach fast 10.000 km ist bislang noch nicht abzusehen, dass ich die bald tauschen müsste). Aber - meine wenigen Versuche im "Offroad"-Bereich (grober Schotter, staubiger Boden mit heftigen Schlaglöchern, feiner Kiesel, Grasbüschel, lose Erde) hinterließen bei mir den Eindruck großer Unsicherheit: Ich bin sofort gerutscht und geschlingert, einmal sogar gestürzt (das war aber sicher zusätzlich ein Fahrfehler, da ich kaum "Geländeerfahrung" habe), und schon ein ungeteerter, trockener Feldweg mit gröberen Steinchen fühlt sich (vor allem wegen des Gewichts der Maschine) nicht sicher beherrschbar an; von Schlamm oder dergleichen habe ich mich von Vornherein gleich ferngehalten. Und der Serienreifen hat ja auch den Ruf (las ich verschiedentlich), eine Eignung von 95% Straße / 5% Gelände zu haben - das alles scheint also so erwartbar. Hm, und wenn ich gerne mehr Geländegängigkeit hätte, büße ich das anscheinend ja immer mit Abstrichen an anderer Stelle ein: Geringere Haltbarkeit, weniger Grip bei Nässe auf der Straße, schlechteres Kurvenverhalten, lauter etc. Wie aber, außer als Lotterie, kommt man denn also aber systematisch zu einer Entscheidung? Wie macht ihr das? (Ich neige einstweilen, weil ich es letztlich ja nicht wissen kann, im Zweifel beim bereits Bekannten zu bleiben und mich von "Offroad" fernzuhalten.)

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Daniel01683
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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von Daniel01683 » Montag 14. Juli 2025, 15:39

Reifenwahl ist schon immer ein Streitpunkt, der eine findet die gut und der andere nicht. Du kannst nur drauf ziehen und schauen ob es für dich passt.
Ich habe persönlich mitas enduro trail+ Dakar, er hat ein Verhältnis 60/40 , er ist bei Trockenheit echt super ( bin mit ihnen stelvio hoch , habe mich mit Sportmaschine ein rennen geliefert, die reifen hatten echt guten gripp), bei nässe ist er gut. Dir empfehle ich eher ein Reifen mit Verhältnis 70/30 da du weniger Offroad fahren möchtest.

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peha
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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von peha » Montag 14. Juli 2025, 16:38

Nachtrag: Ich schrieb ja oben, ich hätte "verschiedentlich gelesen", die Einschätzung sei soundso beim Serienreifen; eine Quelle, die ich gut finde weil sie versucht, das subjektive Empfinden zum systematisieren und in den Kontext zu setzen, ist diese Website. Der Autor scheint - seinen Videos zufolge - erfahren und routiniert zu sein, ich kenne ihn jedoch nicht persönlich und vermag die Güte der Information/Einordnung nicht einzuschätzen. Ich finde es aber gerade in der Gesamtübersicht (aber auch die Einzelbesprechungen) nützlich und wollte es diejenigen, die das vielleicht nicht kannten, nicht vorenthalten.

Unter der Prämisse, einen im Vergleich zur Serienbereifung offroad-tauglicheren Reifen bei dennoch sehr guter Straßenperformance zu finden, wären für mich laut obiger Zusammenstellung dann wohl der Heidenau K60 Scout (60 Straße/40 offroad; bessere Laufleistung) oder Pireli Scorpion Rally STR (70/30; besserer Grip auf der Straße) gute Optionen. Und da ich kein "Extremfahrer" (egal wo) bin, würde ich wohl als offenbar ziemlich guten Kompromiss und der Haltbarkeit zuliebe den K60 probieren, wenn es soweit ist.
Zuletzt geändert von peha am Montag 14. Juli 2025, 16:56, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von Zweinullzwei » Montag 14. Juli 2025, 16:49

Für mich ist der nächste ein Pirelli Scorpion Trail III, bin zu 97% auf der Strasse unterwegs. Passt für mich gut.
Der jetzige ist nach 10000km fast durch, hoffe dass der Trail lll etwas mehr Grip hat, dafür muss er nicht 10000km halten.

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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von TheDoctor » Montag 14. Juli 2025, 17:27

Reifen ist echt ein Thema bei dem du keine konkrete Antwort bekommen wirst. Das ist einfach zu Fahrzeug und Vorlieben abhängig. Wir fahren ja nicht auf der Rennstrecke wo es auf jede zehntel ankommt, sondern es spielen unheimlich viele Faktoren eine Rolle. Ich hatte zum Beispiel Michelin Anakee auf meiner GS nachdem ich die vorhandenen Metzler Tourance getauscht hatte. Danach waren Conti Trail Attacks drauf. Mit allen 3 Reifen war es ein komplett anderes Fahrgefühl und jeder hatte seine Stärken und Schwächen. Der Anakee war mit deutlichem Abstand der Beste bei Kälte und Regen, brauchte aber lange um auf Temperatur zu kommen. Mit den Contis konnte man es richtig fliegen lassen, jedoch waren diese bei Regen deutlich schlechter und das Moped hat zum schlingern auf der Autobahn mit Koffern tendiert.
Das Michelin super bei Nässe und Kälte funktioniert liest man auch oft im Netz. Da scheint tatsächlich die Mischung sehr ausgereift zu sein.

Die Frage ist nun denke ich, was machst du mit dem Moped:

Lange Touren durch Gebirge wo es auch mal kalt und Nass werden kann oder Sonntags nur eine große Runde zum Eisladen und ab in die nächste Applauskurve um die Fußrasten auf dem Asphalt zu schinden.

Die Scorpion Trail II finde ich persönlich für trockenen Asphalt super auf dem Moped und eine tolle Erstausrüster Wahl. Wie sich andere Reifen drauf verhalten werde ich möglicherweise mal testen, aber wenn alles passt, kann man getrost bei dem Vorhandenen bleiben. Die Scorpion Trail III wären bestimmt einen Blick wert.

Besteht halt immer ein Risiko, dass dir die anderen Schlappen nicht gefallen, und dann musst du entweder wieder in die Tasche greifen oder 10.000 Km mit der schlechten Wahl leben.

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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von peha » Montag 14. Juli 2025, 17:49

Danke für deine ausführliche Antwort. :) Du beschreibst genau den Gedankengang, der mich zum Erstellen des aktuellen Threads trieb: Lässt sich eine systematische, generische Herangehensweise benennen, wie man "die Reifenfrage" auch ohne eigene Empirie meistern kann? Womöglich lautet die Antwort trivialerweise einfach: nein. :lol:

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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von Zweinullzwei » Montag 14. Juli 2025, 18:52

Auf meiner Honda hatte ich einen Heidenau K60 gehabt. Nach wenigen 100km wieder runter genommen, null vertrauen gehabt, ständiges rutschen und das mit 50PS. Wurde dann ein Michelin, da waren plötzlich ungeahnte schräglagen möglich.

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Re: Vorgehen bei der Reifenwahl

Beitrag von TheDoctor » Montag 14. Juli 2025, 20:53

peha hat geschrieben: Montag 14. Juli 2025, 17:49 Danke für deine ausführliche Antwort. :) Du beschreibst genau den Gedankengang, der mich zum Erstellen des aktuellen Threads trieb: Lässt sich eine systematische, generische Herangehensweise benennen, wie man "die Reifenfrage" auch ohne eigene Empirie meistern kann? Womöglich lautet die Antwort trivialerweise einfach: nein. :lol:
Grundsätzlich macht man MEINER MEINUNG NACH! ( Und das ist sehr wichtig, da subjektiv von Mir selbst ) mit einem Michelin nichts verkehrt. Der funktioniert immer. Und wenn du nicht auf die Rasten runter gehst, ist ein sehr breiter Grenzbereich deutlich angenehmer, da du noch eine Chance hast die Karre zu fangen.