Ich habe selbst noch nie Motorradreifen ausgesucht; beim Roller ging ich eher nach Preis und Verkäufer-Empfehlung, beim Auto habe ich zuletzt bei reifen.com auf Grundlage der Kategorisierungen einen gewählt, der mutmaßlich auch bei Nässe einen sehr guten Grip hat und preislich noch okay genug war.
Ein Freund, der bei einem großen deutschen Autohersteller für die Abstimmung des ESP einer bestimmten Modellgruppe verantwortlich ist und deshalb routiniert und andauernd Autos in Extremsituationen bringt, sagte mir, auf Autos bezogen: "Wenn du die freie Wahl hast und Geld egal ist, nimmst du immer Michelin, weil deren Kautschuk-Mischungen unerreicht sind. Wenn Geld nicht egal ist, musst du halt entscheiden, wo du Abstriche machst." Ich vertraue seinem Urteil absolut. Als ich ihn nach Motorradreifen gefragt habe, hat er mit den Schultern gezuckt und gesagt: "Du, damit kenne ich mich nicht aus, das wäre Hörensagen, deshalb will ich nichts empfehlen." (Für mein Auto habe ich mich übrigens aus Preisgründen gegen Michelin entschieden, da ich mit meinem geringmotorisierten Kleinwagen keine Rennen fahre und auch niemals bei 180 auf dem Salzsee das Lenkrad herumreißen werde, um das ESP zu testen

Tja - und deshalb frage ich mich schon eine Weile lang: Wie kann man zu einer informierten, guten Entscheidung kommen betreffs Reifen, die zu den eigenen Anforderungen und Erwartungen passen? Probefahren kann man sie üblicherweise natürlich ja nicht (und ich bin auch gar nicht sicher, ob ich das in der Kürze "spüren" würde, worum es geht), und Berichte/Einschätzungen Dritter sind naturgemäß stets subjektiv und evtl. sogar mit einer hidden agenda oder unbewusstem bias versehen. Wenn man also wie ich nicht auf einen Fundus an eigener Erfahrung bauen kann, wie geht man die Reifenauswahl dann sinnvoll an?
Konkret bin ich persönlich mit den Serienreifen eigentlich ziemlich zufrieden, da ich z.b. auf der Straße nie (auch bei sehr starken Regen nicht) gerutscht bin - und Grip auf Asphalt, trocken wie nass, ist für mich extrem wichtig, da ich fast ausschließlich auf Straßen unterwegs bin. Auch die Haltbarkeit scheint gut zu sein (nach fast 10.000 km ist bislang noch nicht abzusehen, dass ich die bald tauschen müsste). Aber - meine wenigen Versuche im "Offroad"-Bereich (grober Schotter, staubiger Boden mit heftigen Schlaglöchern, feiner Kiesel, Grasbüschel, lose Erde) hinterließen bei mir den Eindruck großer Unsicherheit: Ich bin sofort gerutscht und geschlingert, einmal sogar gestürzt (das war aber sicher zusätzlich ein Fahrfehler, da ich kaum "Geländeerfahrung" habe), und schon ein ungeteerter, trockener Feldweg mit gröberen Steinchen fühlt sich (vor allem wegen des Gewichts der Maschine) nicht sicher beherrschbar an; von Schlamm oder dergleichen habe ich mich von Vornherein gleich ferngehalten. Und der Serienreifen hat ja auch den Ruf (las ich verschiedentlich), eine Eignung von 95% Straße / 5% Gelände zu haben - das alles scheint also so erwartbar. Hm, und wenn ich gerne mehr Geländegängigkeit hätte, büße ich das anscheinend ja immer mit Abstrichen an anderer Stelle ein: Geringere Haltbarkeit, weniger Grip bei Nässe auf der Straße, schlechteres Kurvenverhalten, lauter etc. Wie aber, außer als Lotterie, kommt man denn also aber systematisch zu einer Entscheidung? Wie macht ihr das? (Ich neige einstweilen, weil ich es letztlich ja nicht wissen kann, im Zweifel beim bereits Bekannten zu bleiben und mich von "Offroad" fernzuhalten.)