Da diese jetzt fast 50'000km weg haben, besteht der Wunsch nach was neuem

Die Rahmenbedingungen:
Die geliehene 300 Rally hatte gerade mal 2'100km weg und war ein 2023er Modell (also noch ohne Uhr und Tankanzeige). Unsere Himalayan sind neben anderen "Verbesserungen" mit HyperPro-Federbeinen ausgestattet, was sich extrem auf die Strassenlage ausgewirkt hat. Wir sind kein Offroad gefahren (Mietausschluss), sondern nur kleinste Asphalt- und Schotterstrassen - oft einspurig mit kräftigen Steigungen, vielen Kurven und teilweise Moos und Grass in der Spurmitte bei 27°C bis 36°C. Wer Frankreich kennt, weiss das da bereits der Asphalt zu schmelzen anfängt.
Fahrwerk: Für die Preisklasse hat die 300er ein sehr gutes Fahrwerk, fährt sich sehr neutral und ist vor allen Dingen extrem agil durch das geringe Gewicht. Sie ist also wendiger als die Himalayan, aber nicht so stabil bei höheren Geschwindigkeiten. Was bei unserer aufgefallen ist, ist, dass die Gabel teilweise beim Einfedern hängen geblieben ist. Man hatte z.B. beim Anbremsen von Kurven oft das Gefühl, als wenn die Gabel "stufenweise" eintaucht. Dies war auch im Stand mit gezogener Bremse nachvollziehbar, wurde aber vom Händler bei der Rückgabe nicht weiter ernst genommen. Ist das normal?
Die Bremse ist nicht überragend, aber um Welten besser, als die der Himalayan (was kein Kunststück ist)
Komfort & Sitzposition Die Sitzposition ist sehr angenehm und die Sitzbank macht auch nach längerer Fahrt einen guten Eindruck. Allerdings wirft sie extreme Falten, welche erst nach längerer Pause wieder verschwinden. Ob sie allerdings nach 50'000km immer noch so gut dasteht, wie bei der Himalayan, möchte ich bezweifeln

Auch im Stehen fährt sich die Voge gut - meine Frau hätte allerdings gerne eine Lenkererhöhung. Der Windschutz entspricht in etwa dem der Himalayan, allerdings mit weniger Verwirbelungen am Jethelm.
Ausstattung, Verarbeitung & Qualität Hier zeigt sich der Rotstift der Kontroller: keine einstellbaren Griffe (besonders am Bremshebel wünschenswert), der Kupplungszug läuft trotz Schmierung ruckelig, die Anzeigen sind - na ja - rudimentärer als rudimentär und eine einfacherer Verstellung des Federbeines wäre auch kein Fehler.
Jetzt aber zum grössten Manko: die nicht vorhandene Lackqualität! Wir hatten den gleichen Magnet-Tankrucksack montiert, der auch seit Anbeginn auf der Himalayan war, ohne grössere Spuren zu hinterlassen. Bei der Voge jedoch war der Tank an einigen Stellen nach den 500km regelrecht poliert. Auch der Haltegriff und die Plastikteile hinten zeigten durch die Hecktasche bereits erhebliche Spuren. Das bedeutet, dass, bei artgerechter Haltung, nach kürzester Zeit der Wiederverkaufswert auf Null sinkt

Vom lackierten Stahlauspuff möchte ich erst gar nicht reden, der hatte an der Halterung bereits Rost angesetzt und sah sehr unansehnlich aus.
Aussehen & Design Hier punktet die Voge eindeutig. Sie sieht super aus und macht einen sehr sportlichen Eindruck. Die LED-Beleuchtung ist, bis auf die Hauptscheinwerfer, genial. Eindeutig ein Plus gegenüber der Himalayan. Hier gibt es definitiv nichts zu bemängeln. Dadurch sind wir erst auf die Rally aufmerksam geworden.
Motor & Getriebe Dies ist der Punkt, der mir die meisten Bauchschmerzen bereitet. Bis ca. 70 km/h ist die Welt in Ordnung, auch wenn ich noch nie so viel im 5. und 6. Gang gefahren bin. Für's Anfahren reicht der 2. Gang. Alles was darüber liegt, führt zu eingeschlafenen Händen, Kribbeln im Hintern und in den Füssen. Selbst wenn man ein 15er Ritzel verbaut, haben wir Zweifel, dass Geschwindigkeiten zwischen 80 und 100 km/h auf längerer Strecke Spass machen. Und man muss halt ab und zu auch mal auf offenen Landstrassen zum Ziel fahren. Etwas mehr Drehmoment im unteren Bereich würde auch nicht schaden, ist aber bei 300ccm wahrscheinlich zu viel verlangt.
Vielleicht sind wir auch von den Himalayans verwöhnt, die nahezu keine Vibrationen selbst bei Dauertempo über 110 km/h aufweisen und schön von unten heraus ziehen. Aber auch die KTM 390 Adventure waren wesentlich humaner.
Auch dürfte der Auspuff etwas leiser sein, denn auf dem Campingplatz und den Schotterwegen durch den Wald kommt man sich wie ein Rowdy vor. Passanten denken bei der Knallerei bestimmt, man hätte ein Loch in den Auspuff gebohrt

Der Spritverbrauch lag bei 3.5l/100km im Gegensatz zu 3l/100km bei der Himalayan. Das macht eine Reichweite von etwas über 300km im Gegensatz zu 500km.
Abschliessende Gedanken Wie Ihr vielleicht bereits erkennen konntet, sind wir um vieles schlauer geworden (man glaubt es kaum in unserem Alter), aber bei unserer Entscheidungsfindung Voge vs Royal Enfield nicht viel weiter. Bei den angestrebten Fahrleistungen im Winterhalbjahr von ca. 8'000km pro Jahr sollten auch mal längere und schnellere Strecken an einem Tag problemlos machbar sein. Da haben wir bei den Vibrationen etwas Bedenken.
Als Alternativen stehen noch die Royal Enfield 450 und die CFmoto MT 450 zur Auswahl. Diese sind uns aber gewichtsmässig mit ca. 200kg zu hoch und liegen somit gleichauf mit unseren Aprilia Tuaregs, haben aber nur halb so viel PS. Das macht also keinen Sinn.
Jetzt steht noch eine Testfahrt mit der Triumph Scrambler 400X aus. Hier fehlt uns aber der Windschutz im Winter und eine Tauglichkeit auf Schotterstrecken muss auch noch erbracht werden.
Wir werden also den kommenden Winter noch mit unseren Himalayans unterwegs sein (es sei denn, die EURO 5+ Umstellung spült uns zwei extrem günstige Voge 300 Rally in die Garage). Schliesslich haben sie sich schon bezahlt gemacht und ihre Tauglichkeit mehr als bewiesen.
Wenn das alles mal keine Wohlstandssorgen sind

In diesem Sinn, vielen Dank an die, die es bis hierher geschafft haben. Und hoffentlich haben wir keinem auf die Füsse getreten, denn die 300 Rally ist wirklich ein super Mopped für's Geld. Aber vielleicht doch nicht ganz das Richtige für uns, die so gut wie nie ins harte Gelände oder Offroad gehen.