Die vorherigen Beiträge waren größtenteils eine Aufzählung der Eigenschaften der 300er Rally.
Abschließend kommt der Fahrbericht und mein Fazit
Einiges davon findet sich bereit in den vorherigen Beiträgen und taucht hier der Vollständigkeit halber ein zweites Mal auf.
persönliche Fahreindrücke
Sitzend ist die Fahrhaltung für mich als 1,84m großer Fahrer mit ~ 90kg (fahrfertig ausgerüstet) bequem und langstreckentauglich.
Die Sitzbank dürfte für meinen Geschmack allerdings etwas fester gepolstert sein.
Stehend fahren ist für mich zwar möglich; für eine bequeme Position dürfte der Lenker allerdings ~20mm höher sitzen.
Die Fußrasten und Fußhebel sind als Serie in Ordnung.
Die Scheibe vom Multifunktionsdisplay spiegelt bei ungünstiger Sonneneinstrahlung sehr stark.
Das Display ist sonst gut ablesbar,
Trotzdem würde ich mir bei der Fahrtrichtungsanzeige (Blinker) vollflächige Pfeile wünschen.
Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber ich übersehe es oft, dass der Blinker noch an ist. (grade weil die Blinkerrückstellung etwas unsensibel ist, denke ich oft der Blinker ist aus ... ist er dann aber doch nicht ..,)
Die Scheibe nur untenrum Windschutz und dient eher optischen Zwecken.
Bis 80km/h ist es, wie auf jeder "nackten" Enduro, komfortabel; danach hält sich der Winddruck am Oberkörper zwar in Grenzen aber oben am Helm zieht es schon ganz gut.
Die Fahrwerkselemente (Gabel/Federbein) sind gemessen am Preis überraschend gut.
Am Level einer Sportenduro mit voll einstellbarem Fahrwerk darf man es natürlich nicht messen aber einen Ausflug auf groben Schotter steckt es ganz gut weg.
Die Gabel wirkt leicht unterdämpft und fängt bei schnelleren Passagen das Springen an.
Möglicherweise lässt sich das mit der Viskosität des Gabelöls noch etwas anpassen
Auf asphaltierter Straße liegt die Fuhre gut und lässt eine zügig gefahrene saubere Linie zu.
Das einzige was da stört, sind die Handhebel (Bremse und Kupplung) die nicht schön in der Hand liegen und die Dosierung damit erschweren.
Hier setze ich verstellbare Handhebel auf meine persönliche Wunschliste.
Was Motorisierung und Fahrleistung angeht, bietet die 300er wenig Überraschendes.
Der Motor ist eher ein rauher Geselle, der zunehmende Drehzahl mit spürbarer Vibration anzeigt.
Seidenweiches Hochdrehen gehört nicht zu seinen Stärken.
Irgendwo im mittleren Drehzahlbereich gesellt sich bei starkem Beschleunigen eine deutlich hörbare Geräuschkulisse aus Richtung Steuerkette dazu.
Am angenehmsten fährt sich das Aggregat bei entschleunigter bis zügiger Fahrweise.
Sportliche Gangart quittiert der Motor mit starker, eher unangenehmer Geräuschentwicklung.
Ich nehme mal an, der Motor selbst kann mehr, denn bei 300 Kubik sind 28 PS noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ...
... um den hiesigen Geräusch und Abgasbestimmungen zu genügen, hat man ihn halt ziemlich runtergeregelt und das Gemisch abgemagert.
Das sind Hürden, mit denen jeder Hersteller zu kämpfen hat.
Bis 80 km/ Tacho ist trotzdem gemessen an der Motorleistung zügig hoch beschleunigt
Bis ~ 90-95 km/h Tacho halten sich die Vibrationen in Grenzen und die Geschwindigkeit ist auch über längere Zeit erträglich fahrbar
Hier erinnere ich noch einmal daran: der Tacho hat zumindest bei meiner Rally (mit GPS abgeglichen) keine Voreilung.
Die meisten Kfz würden bei dieser Geschwindigkeit einen um 8-10 km/h höheren Wert anzeigen.
Als Top Speed habe ich auf ebener Bahn ohne nennenswerten Wind 119 km/h erreicht.
Die 120 war auch mit Anlauf und hinter die Scheibe geduckt nicht zu knacken ...
Der Motor schreit sich dann die Seele aus dem Leib.
Aus Sicherheitsgründen habe ich bei solchen Aktionen immer zwei Finger an der Kupplung, falls der Motor fest geht.
Ich denke zwar, dass er vollgasfest ist - bin aber weder schmerzbefreit noch leidensfähig genug, das auszuprobieren.
Fazit über Alles
(nach ersten Fahreindrücken on- und offroad; die langfristige Bewertung der Zuverlässigkeit, Wartbarkeit und Entwicklung der verfügbaren Ersatzteile bleibt abzuwarten)
Gemessen am Geld bekommt ihr mit der Voge 300 Rally ein fairen Gegenwert.
Optisch gut gelungen.
Aus technischer Sicht gemessen an dem, was andere Hersteller liefern, eher über dem Durchschnitt.
Von der werksseitigen Ausstattung her gemessen an dem, was andere Hersteller liefern, eher über dem Durchschnitt.
Darum als abschließenden Kommentar an Loncin/Voge (die hoffentlich mit lesen ...):
Hut ab - das Gesamtkonzept der Maschine verdient absoluten Respekt !
Jedes Produkt wächst über die Jahre.
Vielleicht können einige der folgenden Kundenwünsche dabei mit einfließen
Meine Wunschliste
Wünschen kann ich mir ja viel ...
Aber ich möchte realistisch bleiben und schreibe darum noch einmal bereits erwähnte Punkte zusammen, von denen ich denke, dass Loncin sie umsetzen kann, ohne den bisherigen preislichen Rahmen der 300er Rally zu verlassen.
- Bereifung
die einzige freigegebene Reifengröße entspricht nicht europäischem Standard
In Deutschland sind gemäß COC nur sehr wenige Reifen legal fahrbar
ein Nachtrag zum COC für zulässige Reifengrößen in metrischer Reifendimension ist für den europäischen/deutschen Markt beinahe Pflicht !
Aktuell ist meines Wissens nur ein Reifentyp eines Herstellers legal fahrbar.
Eine Auswahl an Reifen habe ich damit nicht ...
- Dokumentation
für die Fahrsicherheit wichtige und technisch aufwändige Arbeiten sollten der Fachwerkstatt überlassen bleiben.
Einfachere Arbeiten bezüglich Instandhaltung und Wartung müssen aber auch von der Fahrerin oder vom Fahrer durchzuführen sein.
Die Fachwerkstätten hier in Deutschland haben gern mal Wartezeiten von 3 Monaten.
Da ist es hilfreich, die technischen Informationen zur Hand zu haben, um bei einfacheren Wartungsarbeiten nicht 3 Monate warten zu müssen, bis das Motorrad wieder gefahren werden kann:
Für mich gehören dazu (online verfügbar):
- eine detaillierte Wartungstabelle - welche Wartungsschritte sind zum jeweiligen Intervall auszuführen
- Anzugsdrehmomente
- Füllmengen und einzufüllende Flüssigkeiten (Öl, Kühlflüssigkeit, Bremsflüssigkeit etc.)
- Einstellwerte und Toleranzen
- Stromlaufplan
- Multifunktinsdisplay/Tacho:
matte, entspiegelte Scheibe für bessere Ablesbarkeit
vollflächige Blinkeranzeige
Anzeige der Uhrzeit
Anzeige der Öltemperatur
- Bedienelemente:
Handhebel (Kupplung/Bremse) mit Griffweitenverstellung
die Rückstellung der Blinker sollte sensibler sein
-Seitenständer
größere Aufstandsfläche für weiche Untergründe
So weit der erste Gesamteindruck
Der Steinbeisser
P.S. : Ich bin kein professioneller Testfahrer.
Den Mitbewerber - die CRF 250 Rally bin ich im Bekanntenkreis vor ca. einem dreiviertel Jahr gefahren.
Seitdem ist ein Weilchen vergangen - von einem direkten Vergleich kann beim bisherigen Bericht darum nicht die Rede sein.
Voraussichtlich werde ich in den kommenden Wochen noch einmal bei einer gemeinsamen Ausfahrt die CRF 250 Rally und die CRF 300 Rally im direkten Vergleich fahren können.
Die schmutzigen Details folgen ...
